Roland Barthes zeichnet in der Hellen Kammer ein wunderbares Bild von der Fotografie. „Die PHOTOGRAPHIE“, schreibt er, „gehört zu jener Klasse von geschichteten Objekten, von denen man auch nicht zwei Blätter abtrennen kann, ohne sie zu zerstören: die Fensterscheibe und die Landschaft, das GUTE und das BÖSE, der Wunsch und sein Objekt“.
Barthes entwirft damit eine Bildtheorie, in der der Bildträger praktisch unsichtbar ist: Das Licht der Landschaft fällt ungebrochen durch die Fensterscheibe herein in das Auge des Betrachters.
Das Darstellungssystem, das damit verbunden ist, unterscheidet sich wesentlich von anderen Darstellungssystemen. Während zum Beispiel die Malerei eine Realität fingieren kann, ohne sie gesehen zu haben, bedarf die Fotografie notwendig einer realen Sache, „die vor dem Objektiv platziert war und ohne die es keine Photographie gäbe“. Das Eigentümliche des fotografischen Darstellungssystems ist demnach, dass der Signifikant „allemal unsichtbar“ ist, wohingegen der Referent „immer da“ ist. Barthes spricht in diesem Zusammenhang durchaus doppeldeutig auch vom „Eigensinn“ des Referenten: „Was immer auch ein Photo dem Auge zeigt und wie immer es gestaltet sein mag, es ist doch allemal unsichtbar: es ist nicht das Photo, das man sieht, … jedes Photo ist in gewisser Hinsicht die zweite Natur seines Referenten“.
Was aber passiert, wenn die Fensterscheibe bricht?
Das Bild von der Fensterscheibe und der Landschaft verwandelt sich unter der Hand in ein unwirkliches Szenario, das von René Magritte stammen könnte. In seinem Gemälde Le soir qui tombe zerstört er mit der Fensterscheibe den Ausblick, fasst diesen in den Scherben aber nicht mehr als Ganzes zusammen. Zerspringt die Fensterscheibe, dann zerbricht auch die Landschaft.