Tiflis
Tiflis ist nicht nur die Hauptstadt Georgiens. Es ist mit knapp 1.3 Millionen Einwohnern mit Abstand auch die größte Stadt Georgiens. Batumi, immerhin die zweitgrößte Stadt Georgiens, hat lediglich 183.000 Einwohner.
Tiflis liegt im Zentrum der Kaukasus-Landenge im östlichen Teil Georgiens. Es erstreckt sich auf etwas mehr als 20 Kilometer entlang des Flusses Mtkwari. Da Tiflis im Westen vom Berg Mtazminda, im Osten von der Hügelkette Machata und im Süden vom Mtabori und dem Gebirgszug Sololaki begrenzt wird und die Stadtbezirke Höhenunterschiede von bis zu 350 Metern haben, ziehen sich viele Wohnviertel in Terrassen die umgebenden Hänge hinauf. Dementsprechend eng geht es auch in der Altstadt von Tiflis zu, die am linken Ufer der Mtkwari liegt und deren enge Straßen und Gassen sich den Sololaki hinaufwinden.
Der Wohlstand von Tiflis verdankte sich seit jeher dem Handel. Im 11. Jahrhundert waren es sieben europäisch-asiatische Handelswege, die durch Tiflis führen. Dieser Wohlstand bescherte Georgien und Tiflis allerdings eine wechselvolle Geschichte. Seine Unabhängigkeit war stets bedroht. Mal waren es Perser, Mongolen oder Osmanen, die Georgien beherrschten, mit Beginn des 19. Jahrhunderts schließlich die Russen.
Die Zugehörigkeit zum russischen Kaiserreich brachte Georgien und Tiflis, das ab 1801 Hauptstadt des Gouvernement Transkaukasien war, aber auch neuen Reichtum. Dieser führte insbesondere nach 1845, als Tiflis zur Residenz des russischen Kaisers ernannt wurde, zu einer intensive Bautätigkeit. Mit der Absicht, Transkaukasien näher an Europa heranzuführen, entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Theater, Hotels, Museen sowie erste Bibliotheken und andere Bildungseinrichtungen in europäischen Architekturstilen, die bis heute das Stadtbild prägen. Im Zusammenhang mit der Schaffung eines repräsentativen Zentrums wurden auch die Stadtmauern abgerissen, die bis dahin Tiflis umgaben und städtebaulich einschränkten. Der Bau der Transkaukasischen Eisenbahn brachte schließlich weiteren wirtschaftlichen Aufschwung. Ab 1872 rollten die ersten Züge von Tiflis nach Batumi ans Schwarze Meer und in die andere Richtung nach Baku ans Kaspische Meer.
Seit den 1990er Jahren sind Architektur und Stadtplanung vor allem in Tiflis von internationalen Strömungen geprägt. Micheil Saakaschwili, der nach der Rosenrevolution von 2004 bis 2013 Staatspräsident Georgiens war, holte internationale Architekten wie Michele de Lucchi, Doriana und Massimiliano Fuksas oder Jürgen Mayer H. nach Georgien. Heute präsentiert sich das neue Tiflis auf engstem Raum links und rechts der Mtkwari mit der Public Service Hall, der Friedensbrücke, dem Präsidentenpalast und der Konzert- und Ausstellungshalle als moderne, weltoffene Stadt. Vom Denkmal der „Mutter Georgiens“, das oberhalb der Altstadt thront und das man mit einer Seilbahn vom Rike-Park jenseits der Altstadt aus bequem erreicht, bietet sich ein schöner Blick über das alte und das neue Tiflis – zumal bei Nacht.
Kritiker bemängeln allerdings, dass vor allem nach 2004 vorrangig der Bau neuer, öffentlicher Gebäude gefördert und zu wenig für den Erhalt der historischen Bausubstanz getan wird, zu der auch Bauwerke aus der Sowjetzeit zählen. Hinzu kommt, dass Georgien auf einem seismisch aktiven Gebiet liegt und immer wieder von Erdbeben heimgesucht wird. Das letzte schwere Beben beschädigte 2002 in Tiflis über 10.000 Gebäude. Und so sieht man in Tiflis auch heute noch eingestürzte Wohnhäuser, bei denen weggebrochene Frontfassaden den Blick freigeben auf Zimmer, an deren Wände noch Bilder der ehemaligen Bewohner hängen oder in denen noch Anrichten mit Geschirr stehen.
Ist es auf der Westseite der Mtkwari die Monumentalstatue Kardlis Deda, die Mutter Georgiens, die, eine Schale Wein für die Freunde in der linken Hand und ein Schwert gegen die Feinde in der rechten, über Tiflis thront, so ist es auf der Ostseite auf dem Elias Hügel die Sameba-Kathedrale. Sie ist Georgiens größter Sakralbau und Symbol der wiedererstarkten georgisch-orthodoxen Kirche. Da ihr Entwurf noch aus Sowjetzeiten stammte, wurde sie nach dem Ende der UdSSR nicht mehr vom Staat finanziert. Als Geldgeber fungierte der georgische Geschäftsmann und Milliardär Bidsina Iwanischwili, der in den ersten Jahren nach der Rosenrevolution noch Micheil Saakaschwili und dessen liberale, proeuropäische Politik unterstützte, von 2012-2013 kurz selbst Regierungschef Georgiens war und zwischenzeitlich den prorussischen Kurs Georgiens befördert.
Die U-Bahn von Tiflis
Die Untergrundbahn von Tiflis wurde 1966 eröffnet, als Tiflis noch Hauptstadt der damaligen Sowjetrepublik Georgien war. Sie war nach Moskau, Leningrad und Kiew das vierte U-Bahnsystem, das in der Sowjetunion entstand. Ihre Planung fällt zeitlich zusammen mit der neuen Etappe der georgischen Architektur, dem Modernismus, für den der Verzicht auf traditionellen Architekturschmuck, die Neigung zu einfachen geometrischen Formen, offene Glasfassaden und der breite Einsatz von Eisen und Beton kennzeichnend sind.
Die U-Bahnstrecke von Tiflis wurde mit der U-Bahnstation Rustaweli eröffnet. An dieser Station steigen wir auch zum ersten Mal in eine U-Bahn. Rustaweli ist eine unterirdische Station mit einem oberirdischen Pavillon und befindet sich in der Nähe einer Grünanlage. Mit 100 Meter Tiefe ist Rustaweli die tiefste Station in Tiflis. Schon die Fahrt mit der durchgehenden Rolltreppe nach unten ist also ein Erlebnis. Eine gute Minute dauert es, bis man endlich den Bahnsteig erreicht, einen dreiteiligen, von Pylonen geteilten Raum, schlicht und schnörkellos.
Und dann kommt sie: die U-Bahn von Tiflis. Sie ist schon etwas in die Tage gekommen und ein bisschen angeschlagen. Wir springen rein und schon geht es mit einem Höllenlärm und Gerumpel los Richtung Altstadt.
Garedscha-Halbwüste und Regenbogen-Berge
Von Sighnaghi im Herzen der Weinanbauregion Kachetien unternehmen wir eine Tagestour zum Kloster Dawit Garedscha. Zunächst geht es mit unserem Fahrer erst einmal wieder Richtung Tiflis, von wo wir vor zwei Tagen mit einem Marschrutka nach Sighnaghi gekommen sind. Etwa auf halber Strecke verlassen wir in Sagaredscho die gut ausgebaute Straße nach Tiflis und fahren auf einer Nebenstraße Richtung Süden. Bald liegen die letzten Häuser von Sagaredscho hinter uns. Auf der Straße ist an diesem Vormittag nicht viel los und bis zum Kloster wird uns nur hin und wieder ein Fahrzeug entgegenkommen. Die schmale Landstraße, auf der wir unterwegs sind, führt – mal schnurgerade, mal mäandernd – durch eine überwältigend schöne, sanft hügelige Halbwüste, vorbei an dem kleinen Mlashe Salzsee. Nur wenige Male passieren wir auf der weiteren Fahrt kleine Ortschaften.
Unser Fahrer ist augenscheinlich touristenerprobt. Bei der Fahrt hält er von selbst immer wieder an Stellen, an denen sich besonders schöne Ausblicke auf die weite, menschenleere Steppenlandschaft bieten. Wenige Kilometer vor dem Kloster ändert sich dann das Landschaftsbild. Abrupt geht die Halbwüste mit ihren sanften Hügeln über in eine Oberflächengliederung mit markanten, schräg gestellten Schichten aus Sedimentgestein, das an diesem Tag, durch die lockere Wolkenbildung verstärkt, in unterschiedlichen Rottönen leuchtet: die Regenbogen-Berge. Erdgeschichte türmt sich bildhaft vor einem auf.
Nach etwas mehr als zwei Stunden erreichen wir das Kloster Dawit Garedscha. Das georgisch-orthodoxe Kloster, das unmittelbar an der Grenze zu Aserbaidschan am Berg Udabno in den Fels gehauen ist, war über Jahrhunderte eines der wichtigsten spirituellen und kulturellen Zentren Georgiens und ist das älteste Kloster Georgiens. Die erste Besiedlung datiert auf das 6. Jahrhundert. Ab dem 9. Jahrhundert wurde es kontinuierlich ausgebaut und erweitert. Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg richteten die Sowjets in Dawit Garedscha einen Truppenübungsplatz ein und das Kloster blieb bis zum Ende der Sowjetunion geschlossen. Nachdem es 1990 aber erneut zum Kloster geweiht wurde, lebt heute wieder eine kleine Klostergemeinschaft in der Anlage, von der wir bei unserem Besuch aber nichts bemerken. Die Rückfahrt ist dann ein einziges waghalsiges Überholmanöver. Unser Fahrer holt das Letzte aus seinem doch schon etwas älteren Mercedes heraus, da er sich offensichtlich vorgenommen hat, zeitig wieder zurück in Sighnaghi zu sein.
Von Kutaissi nach Mestia
Morgens um 7:45 Uhr im Hotel noch ein schnelles Frühstück. Dann geht es auch schon zum zentralen Busbahnhof von Kutaissi. Es erweist sich auch heute als eine gute Entscheidung, eine gute halbe Stunde vor Abfahrt des Marshrutka am Busbahnhof zu sein. Wir ergattern dadurch zwei der letzten vier Plätze im Kleinbus nach Mestia.
Es gibt von Kutaissi aus keine direkte Verbindung nach Mestia. So geht es in der vollbesetzten Marshrutka in einem großen westlichen Bogen zunächst Richtung Senaki und Chobi und über Tsaishi und Sugdidi dann nach Norden. Ab Dschwari verläuft die Straße bis wenige Kilometer vor Mestia parallel zum Flus Enguri. Kurz hinter Dschwari ist der Enguri zu einem Stausee aufgestaut. Noch ist die Straße gut ausgebaut. Ab Dizi aber wird sie eng und ruppig. Alle paar Kilometer passiert man zudem Straßenbauarbeiten. Am Vormittag ist die Straße zum Glück noch wenig befahren und so kommen uns nur wenige PKW und LKW entgegen. Die Straße führt kontinuierlich auf und ab. Mal fährt man auf Höhe des Enguri, mal liegt der Enguri 100 bis 200 Meter unterhalb der Straße in seinem engen Tal. Auf halber Strecke zwischen Khaishi und Dizi erhaschen wir das erste Mal einen Blick auf die schneebedeckten Gipfel des Großen Kaukasus.
Nach gut fünf Stunden Fahrt erreichen wir, gut durchgerüttelt, endlich Mestia, das auf 1.500 Meter Höhe liegt. Erstaunlich, dass einige der Mitreisenden die Fahrt über weite Strecken geschlafen haben, ja überhaupt schlafen konnten. Unser Guest House ist schnell gefunden, so dass wir am Nachmittag noch genügend Zeit haben, um mit der Seilbahn von der Talstation in Mestia über zwei Etappen bis auf knapp 2.400 Meter zu fahren. Von hier aus hat man einen grandiosen Blick auf den Ushba, einen Doppelgipfel im Hauptkamm des Großen Kaukasus, dessen Nordgipfel 4737 Meter hoch ist. Auf der anderen Seite des Ushba liegt schon Russland.
Batumi
Batumi boomt. Wo man auch hinschaut: es wird wie verrückt gebaut. Glücksspiel und Badetourismus sind die Wirtschaftsfaktoren, welche die Stadtentwicklung in den letzten 10 Jahren geprägt haben und die Batumi nicht nur neue Hotels, Appartementhäuser und Kasinos beschert, sondern auch zu einer rasanten Bevölkerungsentwicklung geführt haben.
Trotz der Kasinos und der Strände sollte man aber nicht vergessen, dass Batumi auch Georgiens Haupthafen ist. Das Erdöl war um 1900 die Grundlage für die Entwicklung Batumis. Es wurde im Kaspischen Meer bei Baku in Aserbaidschan gefördert, über die Transkaukasische Eisenbahn und die weltweit erste kontinentale Ölpipeline (1904 in Betrieb genommen) zum Schwarzen Meer transportiert und im Hafen von Batumi verschifft. In den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts kam dann mit dem Tourismus ein weiteres wirtschaftliches Standbein dazu, wobei mit der Tauwetterperiode in den Ostblockstaaten der Ausbau Batumis entsprechend den Bedürfnissen des beginnenden Massentourismus startete. Diese Entwicklung kam mit der Auflösung der Sowjetunion 1991 allerdings praktisch zum Erliegen. Nach Jahren der Stagnation hält aber seit Mitte des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts der allmähliche Aufschwung Batumis mit Auf und Ab bis heute an.
Jetzt, Anfang September, hat die Nachsaison bereits begonnen. Der Strandabschnitt, der dem Hafen zugewandt und an dem Baden eigentlich verboten ist, wie auch der mehrere Kilometer lange Strand am Batumi Boulevard sind nur mäßig besucht. Am Hafenkai angeln eine paar Georgier.
Geht man auf dem Batumi Boulevard Richtung Süden, stößt man bald auf Fahrgeschäfte, die aussehen, als hätten sie den Betrieb nicht nur für diese Badesaison eingestellt. Eine eigentümliche Stimmung geht von ihnen aus. Sie wirken wie aus der Zeit gefallen.
Hunde
Streunende Hunde sind aus dem Straßenbild der meisten Städte Georgiens nicht wegzudenken. Sie begleiten einen buchstäblich überall. Wurden sie in den 90er Jahren noch schrecklich behandelt und zum Teil auf der Straße getötet, werden sie heute durch gut funktionierende Netzwerke und Anwohner versorgt. So kommt es auch schon mal vor, dass ein kleines Hotel sich um zwei, drei der Streuner kümmert. Um ihre Zahl in Grenzen zu halten, werden die Hunde durch die Kommunen kastriert und gechipt. Allein in Tiflis gibt es nach aktuellen Angaben gleichwohl mehrere zehntausend herrenlose Hunde. Angst braucht man vor ihnen aber nicht zu haben. Sie sind überraschend ruhig und zutraulich und verbringen zumal die heißen Tage schlafend an schattigen Plätzen.
Autos
Schwer zu sagen, ob die Georgier autoverrückter als die Deutschen sind. Statistisch gesehen kamen 2023 in Deutschland auf 1000 Einwohner 588 PKW, in Georgien immerhin auf 1000 Einwohner 415 PKW. Und wie in Deutschland geben auch in Georgien eine Menge Menschen augenscheinlich viel Geld für neue Autos aus.
Was Deutschland und Georgien aber auf jeden Fall unterscheidet, ist die Fahrkultur. Auf Georgiens Straßen wird auf Teufel komm raus überholt, egal ob vor einer Kurve, einer Kuppe oder bei Gegenverkehr. Wenn’s mal eng wird, drängt man sich einfach wieder rein. Was auf den Sraßen unterwegs ist, reicht dabei von ganz neu bis zu deutlich in die Jahre gekommen. Viele Fahrzeuge werden gebraucht aus Europa oder Japan importiert werden. Und so sieht man recht häufig Fahrzeuge, die ausländische Werbeaufschriften tragen oder die das Lenkrad auf der rechten Seite haben. Was irgendwann wirklich nicht mehr fahrtüchtig ist, wird dann bis auf das letzte Teil verwertet. Entlang mancher Straßen stehen auf beiden Seiten über Kilometer mehr oder weniger ausgeschlachtete Autos, von denen zum Teil nur noch das Karosseriegerippe übrig ist.
Alte, ausgediente Verkehrsmittel bekommt man überraschenderweise aber auch auf dem Gelände des Flughafens von Tiflis zu sehen. Das Vorfeld ist nämlich übersät mit abgestelltem altem Fluggerät aus sowjetischer und westlicher Produktion. Und so kann man zwischen neuem und altem Terminal unter anderem einen Blick auf eine viermotorige Iljuschin Il-18, eine Antonov An-24 oder eine zweistrahlige DC-9 werfen. Sogar einige Helikopter aus sowjetischer Herstellung stehen herum.