Vor hundert Jahren baute Oskar Barnack die erste Leica. Die Kamera ist heute mehr denn je eine Kultmarke und auch das Unternehmen knüpft nach der Übernahme durch einen Investor vor zehn Jahren wieder an die alten wirtschaftlichen Erfolge an.
Sieht man einmal von den Menschen ab, die sich die Kameras und Objektive als Spekulationsobjekte zulegen, bleiben, wie bei vielen anderen Herstellern auch, die vielen Enthusiasten und Ästheten.
Glaubt man den einschlägigen Blogs und Webseiten, so ist es dabei der Leica Glow, der unter ästhetischen Gesichtspunkten das Alleinstellungsmerkmal der Kultkamera ausmacht und Bilder liefert, in denen das Verhältnis zwischen Schärfe und Unschärfe von einer besonderen ästhetischen Qualität ist. Nicht ohne eine sektiererischen Unterton heißt es auf einer einer Flickr-Seite dazu: „Leica Glow is a unique characteristic often found when using Leica lenses. Some people see it. Others do not. It seems most do not. Just like some are color blind, and others are tone deaf, many seem to be unable to see Leica Glow.”
Der Glaube, dass dieser Effekt nur mit Kameras mit Entfernungsmesser oder Leica-Objektiven erzielt werden kann, ist allerdings ein Irrglaube, wie die zahlreichen Anleitungen zu Bildbearbeitungsprogrammen und dazu, wie der Effekt durch den Einsatz geeigneter Softwareroutinen realisiert werden kann, zeigen.
Die Tutorials belegen, was Vilém Flusser in für eine philosophie der fotografie formuliert hat: dass Bilder, egal ob analog oder digital, Erzeugnisse von Apparaten und damit Produkte von wissenschaftlichen Texten sind, die in unterschiedlichen technischen Kontexten ausformuliert werden können. Ob der Glow Effekt dabei im einen Fall durch Kamera-Hardware oder im anderen Fall durch Software erzeugt wird, ist vom Prinzip her unerheblich.