Wolken, schreibt Bernd Stiegler in Eine kleine Geschichte der Wolkenphotographie, sind ein ebenso widerständiger wie attraktiver Gegenstand, der in der Geschichte der Fotografie höchst eigentümliche Spuren hinterlassen hat.
Die Traditionslinien dieser Geschichte sind vielfältig. Ging es in den Anfängen der Fotografie darum, den Realismus des neuen Mediums zu bezeugen, waren es zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts dokumentarische Zwecke und meteorolgische Zielsetzungen, die die Wolkenaufnahmen bestimmten. In jüngerer Zeit ist die Wolkenphotographie hingegen bestimmt durch eine Konzeption, die Gegenstand und Betrachter einschließt. Wolkenbilder erschließen eine Deutungsraum, der über den Bildgegenstand hinaus die Erfahrung und die Gefühle des Betrachters einbeziehen.
Der Bogen, der vom Realismus zu einem solchen offenen Deutungsraum gespannt ist, zeigt sich dabei insbesondere im Umgang mit der Horizontlinie. Haben Wolkenaufnahmen in der Frühzeit der Fotografie noch eine orientierungsstiftende Horizontlinie, so fehlt diese, wo die realistische Abbildung nachrangig ist.
Die 2010 entstandene Serie natura nova der Fotografin Rebecca Roggan, die derzeit in einer Überblicksschau der Künstlerin im Wilhelm Hack Museum in Ludwigshafen zu sehen ist, ist ohne Zweifel der Traditionslinie in der Wolkenfotografie verpflichtet, der es um die Schaffung von Deutungsräumen geht. Ihre Aufnahmen von Wolken entwerfen Räume, die jenseits naturwissenschaftlicher Sinnzusammenhänge und frei vom Zwang zur realistischen Abbildung individuelle Erfahrungen und Assoziationen stimulieren.
Betrachtet man Ricarda Roggans Wolken, so blicken diese in eigentümlicher Weise zurück.
Bildquelle
Galerie EIGEN+ART