Thomas Bernhard kauft sich ein Auto und fährt bis nach Retz

„Und die Wahrheit ist, daß ich nur im Auto sitzend zwischen dem einen Ort, den ich gerade verlassen habe und dem andern, auf den ich zufahre, glücklich bin, nur im Auto und auf der Fahrt bin ich glücklich, ich bin der unglücklichste Ankommende, den man sich vorstellen kann, gleich, wo ich ankomme, komme ich an, bin ich unglücklich. Ich gehöre zu den Menschen, die im Grunde keinen Ort auf der Welt aushalten und die nur glücklich sind zwischen den Orten, von denen auf der Welt und auf die sie zufahren. Ich bin der glücklichste Reisende, sich Bewegende, Fahrende Fortfahrende, ich bin der allerunglückliste Ankommende.“
Thomas Bernhard, Wittgensteins Neffe

Der Autofahrer Thomas Bernhard

Thomas Bernhard bezeichnete sich wiederholt als ein „leidenschaftlicher Fahrer“ und als ein vom „Geist des Motorischen Beseelter“. Karl Ignaz Hennetmair berichtet in seinem versiegelten Tagebuch „Ein Jahr mit Thomas Bernhard“ aus dem Jahr 1972 über ihn, er sei geradezu „radikal“ und von einer manischen Pedanterie bei der Pflege seiner Autos gewesen. Penibel habe er Service-Intervalle bei seinen Fahrzeugen eingehalten und Werkstätten mussten bei Reparaturaufträgen öfter mit unangekündigten Kontrollbesuchen rechnen.

Überhaupt: Was hat Thomas Bernhard nicht alles an Fahrzeugen besessen, gefahren und geliebt. Vom Preisgeld der ersten Auszeichnung „für eine schriftstellerische Arbeit“, dem Julius-Campe-Preis für den Roman „Frost“, kaufte er sich 1964 aus dem Schaufenster eines „der elegantesten Autohäuser von Wien“ heraus das „erste Auto“ in seinem Leben: einen Triumph Herald Roadster. Einen „Luxuswagen“, wie er in „Meine Preise“ ausdrücklich betont“, „elegant“, „englisch“, „weiß, mit roten Ledersitzen und einem hölzernen Armaturenbrett.“ In den späten 60ern und frühen 70ern dann war es ein „knallgelber“ VW Käfer, über den Elfriede Jelinek bei einem Besuch Bernhards anmerkt, er sei „ein Fremdkörper in der Umgebung“ gewesen, der „gleich ins Auge sticht“. Es folgte ein VW 1600 Variant, der im auf der ewigen Baustelle seines Hauses in Obernahtal über viele Jahre als Arbeiter- und Materialtransporter diente. Ende der siebziger Jahre dann kaufte er sich ein „richtiges Kapitalisten-Auto“, einen Mercedes Benz W 123, der es 2008 sogar bis in eine Ausstellung des Technischen Museums Wien geschafft hat und dem nachgesagt wird, er sei „tannengrün bis in die Radkappen“ gewesen. Und schließlich das letzte Auto: ein Suzuki Samurai, das sich Bernhard 1988 elf Monate vor seinem Tod zulegte und das ihm „das liebste“ war. Es sollte ihn, der zu diesem Zeitpunkt schwer von seiner Lungenkrankheit gezeichnet war, dort hinbringen, wo er zu Fuß nicht mehr hinkam. Mit seinem Suzuki, so sein Bruder Peter Fabjan, sei er „besonders gern unterwegs gewesen“. Und mit dem Suzuki habe er auch seine letzte Ausfahrt gemacht.

Bei alledem darf selbstverständlich auch Bernhards Traktor nicht vergessen werden, ein McCormick-Traktor B 414, an dem er eine Plakette hatte anbringen lassen, auf der er sich, für alle sichtbar, auswies als „Thomas Bernhard vlg. Bauer zu Nahtal“ und mit dem er manchmal durch das Aurachtal fuhr, um Möbel zu einem seiner Häuser, der „Krucka“, zu transportieren.

Und ja: fehlen darf auch nicht das Steyr-Waffenrad seines Vormundes, auf dem er „die größte Entdeckung“ seines damals noch jungen Lebens gemacht habe: „ich hatte meiner Existenz eine neue Wendung gegeben, möglicherweise die entscheidende der mechanischen Fortbewegung auf Rädern.“

Auto und Autounfall

Wenn Thomas Bernhard von Autos und vom Autofahren erzählt, dann ist der Unfall indes nicht weit. Matthias Bickenbach arbeitet in seiner fragmentarischen Kulturgeschichte des Autounfalls heraus, dass sich im Unfall jenseits des Traumas vom Verlust der Selbstbestimmung im Verlust über die Kontrolle zeigt, dass der Unfall der Fall der Geschwindigkeit selbst ist: „Der traumatische Verlust der Kontrolle, der so oft in Unfallnachrichten benannt wird, korrespondiert dem Risiko, das die Geschwindigkeitsmaschine selbst hervorbringt.“

Dass sich in Thomas Bernards Lebenserzählungen und seiner Prosa permanent Unfälle ereignen, kommt so gesehen nicht von ungefähr. Der „Schiffbruch der Geschwindigkeit“, der sich im Unfall mit Bewegungsmittelen aller Art zeigt, macht den Unfall zum idealen Sinnbild einer Auffassung vom Leben, das nichts Anderes als Scheitern sein kann. Wer von Auto und Fahrzeugen spricht, muss also auch vom Unfall sprechen. Es gilt aber auch: Wer vom Leben spricht, muss auch vom Unfall sprechen.

Unfallgeschichten

Unfallgeschichten ziehen sich durch Bernhards Leben und Schreiben. Peter Fabjan, der Halbbruder Thomas Bernhards, berichtet in einem kurzen Text, der den Titel „Der Dichter und das Auto“ trägt, von einem Unfall, den Bernhard Anfang der achtziger Jahre hat. Bernhard jagt mit Tempo 160 über eine Autobahn: „Plötzlich hat’s einen Knall gegeben, die Windschutzscheibe ist zersplittert. Erst als er am Pannenstreifen war, hat der Thomas bemerkt, dass alles voller Blut war. Voller Blut und Splitter. Auch der Dachhimmel, die Sitze, alles voll. Als er sich dann umgedreht hat, hat er ihn gesehen, den Fasan, der da durch die Scheibe geschossen ist. Völlig zerfetzt. Auf der Hutablage. Glück hat er gehabt, der Thomas, der Vogel ist nur knapp an seinem Kopf vorbeigeschossen.“

Thomas Bernhard hat diesen Unfall in seiner ihm eigenen Art kleingeredet. Gegenüber Joachim Unseld kommentierte er den Unfall lakonisch: „Das hätte buchstäblich, wie man sagt, ins Auge gehen können“. Und, so fügt er an anderer Stelle hinzu, die Fananenhenne habe kurz vor dem Ableben sogar noch ein Ei gelegt.

Tatsächlich und buchstäblich ins Auge geht ein solcher Autounfall dann in Bernhards Roman „Auslöschung. Ein Zerfall“. Bei dem Unfall, bei dem die Eltern und der Bruder des fiktiven Erzählers Franz-Josef Muraus tödlich verunglücken, durchstößt eine Traverse auf dem LKW, auf den der Vater mit hoher Geschwindigkeit auffährt, die Frontscheibe des elterlichen Jaguar und trennt den Kopf der Mutter vom Rumpf ab. Die groteske Szene macht unzweifelhaft die „Gewalt der Geschwindigkeit“ bewusst, die laut Bickenbach in der automobilen Gesellschaft verdrängt ist und die dem Traum der Autonomie immer schon entgegenarbeitet. In Bernhards letztem großen Prosawerk geht es im Trauma des Unfalls aber nicht um die Dekonstruktion von Selbstbestimmung und Autonomie. Verhandelt wird am Unfallgeschehen, das nur mehr im fotografischen Bild verfügbar ist, das Verhältnis von Abbild und Vorbild, von Zeichen und Bezeichnetem, Referent und Signifikant. Dieses Verhältnis ist eines der Beziehungslosigkeit. Was dem fiktiven Erzähler bleibt, das ist das in Zeitungen massenhaft verbreitete Bild der kopflosen Mutter, dessen Wahrheitsgehalt er aber nicht überprüfen kann, weil er den bereits verschlossenen Sarg der Mutter trotz mehrfacher Versuche nicht öffnen kann.

Eine gänzlich andere Wendung nimmt das Unfallgeschehen in Thomas Bernhards autobiographischer Erzählung „Ein Kind“ aus dem Jahr 1982. In dieser Erzählung berichtet Bernhard, wie er sich als Achtjähriger, kaum dass er das Fahrradfahren gelernt hat, aus heiterem Himmel und ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen entscheidet, auf dem Steyr-Waffenrad seines Vormundes von Traunstein nach Salzburg zu radeln, um dort eine Tante zu besuchen. Das triumphale, „beispiellose Hochgefühl“ und die „Glückseligkeit“ des Achtjährigen schlagen mit einem Mal aber um in tiefste Depression und Selbstverurteilung. Hinter Straß reißt die Kette des Fahrrads und das eben noch triumphierend Kind findet sich im Straßengraben wieder. Die Landschaft, die eben noch in „zusehends beschleunigter Geschwindigkeit“ „durcheilt“ wurde, wird durch ein Unwetter zu einem „Inferno“, dessen „Wassermassen“ alles von der Straße zu spülen drohen. Hat der Achtjährige das Radfahren eben noch als „Kunststück“ und sich selbst als „ein ganz besonders intelligenter und mit ganz besonderen Geistesgaben ausgestatteter Mensch“ imaginiert, dem nur noch die gebührende Bewunderung fehle, so verurteilt er sich mit einem Mal wegen seines Verhaltens zur „Höchststrafe“. Eben noch zugehörig zur „auserwählten Klasse der Radfahrer“ sieht er sich urplötzlich ausgeschlossen aus dem Kreis der Menschen: „Ich war grausam, ich war niederträchtig, ich war hinterhältig, ich war, das war das Schlimmste, gefinkelt. Die ganze menschliche Gesellschaft stand mir als einzigem, der nicht zu ihr gehörte, gegenüber. Ich war ihr Feind. Ich war der Verbrecher. Ich verdiente es nicht mehr, in ihr zu sein, sie verwahrte sich gegen mich.“

Wo die Kunst des Radfahrens scheitert, weil der Radausflug mit einem Unfall endet, da gelingt die Kunst des Erzählens, indem sie das Unfallgeschehen zu ihrem Gegenstand macht. Sie leistet, was die Kunst des Radfahrens nicht zu leisten vermag, nämlich „mein Vergehen oder gar Verbrechen auszulöschen“. Auf dem nächtlichen Rückweg zum Großvater, der ihn vor dem Zorn und der Strafe der Mutter beschützen soll, „bosselt“ das Kind „bis in die kleinsten Einzelheiten“ an der „dem Großvater vorzutragenden Erzählung“. Heraus kommt „ein wohlgelungenes Kunstwerk, dessen Wirkung nicht ausbleibt, auch wenn das Kind seine Geschichte zunächst nicht dem schriftstellernden Großvater sondern dem gleichaltrigen Freund Schorschi erzählt. Der Leser wird Zeuge der Geburt des souveränen Erzählers, der das Wissen um die Vorlieben seines Zuhörers, sein Material und auch die Dramaturgie des Erzählens von einem Augenblick auf den anderen nach allen Regeln der Kunst einzusetzen weiß:

„ich setzte mich mit ihm in sein kaltes Zimmer und erzählte ihm meine Geschichte. Sie hatte die erwartete großartige Wirkung auf ihn. Alles, was ich sagte, bewunderte er, und mit jeder neuen Wendung in meinem Bericht war seine Bewunderung eine noch größere. Ich selbst genoß meinen Bericht so, als würde er von einem ganz andern erzählt, und ich steigerte mich von Wort zu Wort und gab dem Ganzen, von meiner Leidenschaft über das Berichte selbst angefeuert, eine Reihe von Akzenten, die entweder den ganzen Bericht würzende Übertreibungen oder sogar zusätzliche Erfindungen waren, um nicht sagen zu müssen: Lügen. Ich hatte, auf dem Schemel neben dem Fenster sitzend, den Schorschi auf seinem Bett gegenüber, einen durch und durch dramatischen Bericht gegeben, von dem ich überzeugt war, daß man ihn als ein wohlgelungenes Kunstwerk auffassen mußte, obwohl kein Zweifel darüber bestehen konnte, daß es sich um wahre Begebenheiten und Tatsachen handelte. Wo es mir günstig erschien, hielt ich mich länger auf, verstärkte das eine, schwächte das andere ab, immer darauf und im übrigens mich als den Mittelpunkt meines dramatischen Gedichts niemals außer acht zu lassen. Ich wußte, was dem Schorschi imponierte und was nicht, dies Wissen war die Grundlage meines Berichts. Es war hellichter Tag, als ich mit meinem Bericht zu Ende war. Ich hatte die Fähigkeit, mein klägliches Scheitern am Ende mit ein paar kurzen Sätzen zu einem Triumph zu machen.“

Überraschend positiv liest sich auch der Bericht über den Unfall, den Bernhard bald nach dem Kauf des Triumph Herald Roadster, von dem bereits die Rede war, bei einem Urlaub an Istrien hat. Im Hochgefühl der Fertistellung seiner Erzählung „Amras“ unternimmt er eine Spritztour, bei der ihm ein Auto auf einer Küstenstraße die Vorfahrt: „Dort, wo die große Felswand vor Opatija in der Abendsonne grell aufleuchtet, bog ein Wagen von links in meine Fahrbahn ein, er krachte direkt in die Vorderseite meines Wagens und zerquetschte sie vollkommen.“ Der Triumph Herald Roadster ist zwar nurmehr ein „Blechhaufen“ und auch Bernhard, der „aus dem Wagen geschleudert“ wird, zieht sich eine Platzwunde am Kopf zu, die stark blutet. Das Resümee Bernhards fällt dann aber alles in allem recht lakonisch aus. Bernhard ist zwar „sehr enttäuscht“, beschließt seinen Bericht über das Ende seines „Autoglücks“ aber mit den Worten: „Mein Herald war ein Blechklumpen, ich ging ein paarmal um ihn herum und ich dachte, daß ich nur eintausendzweihundert Kilometer damit gefahren bin. Schade.“ Der Unfall in Istrien erscheint dem Erzähler allenfalls als ein „Mißgeschick“, da er „wie durch ein Wunder mit dem Leben davongekommen“ sei. Verzweiflung, Niedergeschlagenheit oder Selbstverurteilung, die man bei Bernhard hätte erwarten können, bleiben aus. Zuguterletzt werden sogar alle Forderungen des „Nobelanwalts“ gegenüber den jugoslawischen Versicherungen „zur vollsten Zufriedenheit“ Bernhards erfüllt: der Wagen wird ersetzt, worauf sich Bernhard gleich „einen neuen Herald“ kauft, und Bernhard erhält Schmerzensgeld. Obendrauf gibt es sogar noch „eine sogenannte Kleiderabfindung in unglaublicher Höhe“. Bernhard verlässt das Anwaltsbüro denn auch „naturgemäß in der höchsten Befriedigungsklasse“. Fast möchte man sagen: ein Märchen – zu schön, um wahr zu sein. Auf jeden Fall aber stellt der Unfallbericht Bernhards in „Meine Preise“ einen seltenen Glücksmoment dar in seinem ansonsten eher düsteren autobiographischem Schreiben.

Kontrapunkte

Welch eigentümliche Kontrapunkte. Auf der einen Seite der Thomas Bernhard, der Automobile und schnelles, riskantes Fahren liebte. Auf der anderen Seite der, der mit den ersten Erfolgen als Schriftsteller begann, Immobilien zu erwerben, um in ihnen sesshaft zu werden; der „Mauern“ erwirbt, um sich, wie er formuliert, „in ihnen einsperren zu können.“ Als wäre das eine nicht ohne das andere denk- und lebbar: die Mobilität nicht ohne die Sesshaftigkeit und die Sesshaftigkeit nicht ohne die Mobilität. Dass es am Ende dann aber vielleicht doch das Unterwegssein war, das für Bernhard wichtiger war, dafür könnte eine oft zitierte Passage aus Bernhards Erzählung „Wittgensteins Neffe“ ein Beleg sein. In ihr heißt es: „nur im Auto und auf der Fahrt bin ich glücklich, ich bin der unglücklichste Ankommende, den man sich vorstellen kann, gleich, wo ich ankomme, komme ich an, bin ich unglücklich.“

Zitate aus Thomas Bernhard, Auslöschung. Ein Zerfall (Suhrkamp Verlag, 1986), Meine Preise (Suhrkamp Verlag, 2009), Ein Kind (Suhrkamp Verlag, 2014), Wittgensteins Neffe (Suhrkamp Verlag, 1987)

In Betrachtung von Fotografien

„Sie hatten keine Gesichtszüge mehr, sie hatten nicht einmal mehr Gesichter.“
Thomas Bernhard, Auslöschung. Ein Zerfall

Reale Fotografien und Fotobände bilden immer wieder das Material, an dem sich die Schmähreden von Thomas Bernhard oder die seiner Figuren entzünden. Wenn die Romanfigur Reger in „Alte Meister“ über den „lächerlichen nationalsozialistischen Pumpenhosenspießer“ Martin Heidegger herzieht, dann bilden Fotografien der Fotoreporterin Digne Meller Markovicz, die im September 1966 und im Juni 1968 entstanden und die 1985 in dem Fotoband „Martin Heidegger“ erschienen, den Ausgangspunkt. Thomas Bernhard, der sich an der Überhöhung stieß, mit der seiner Meinung nach in diesem Fotoband noch das Banalste fotografisch in Szene gesetzt wird, lässt seine Romanfigur Reger berichten, er habe

„eine Reihe von Fotografien gesehen, die eine zuhöchst talentierte Fotografin von Heidegger, der immer ausgesehen hat wie ein pensionierter feister Stabsoffizier, gemacht hat, sagte Reger, und die ich Ihnen einmal zeigen werde; auf diesen Fotografien steigt Heidegger aus seinem Bett, steigt Heidegger in sein Bett wieder hinein, schläft Heidegger, wacht er auf, zieht er seine Unterhose an, schlüpft er in seine Strümpfe, macht er einen Schluck Most, tritt er aus seinem Blockhaus hinaus und schaut auf den Horizont, schnitzt er seinen Stock, setzt er seine Haube auf, nimmt er seine Haube vom Kopf, hält er seine Haube in den Händen, spreizt er die Beine, hebt er den Kopf, senkt er den Kopf, legt er seine rechte Hand in die linke seiner Frau, legt seine Frau ihre linke Hand in seine rechte, geht er vor dem Haus, geht er hinter dem Haus, geht er auf sein Haus zu, geht er von seinem Haus weg, liest er, isst er, löffelt er Suppe, schneidet er sich ein Stück (selbstgebackenes) Brot ab, schlägt er ein (selbstgeschriebenes) Buch auf, macht er ein (selbstgeschriebenes) Buch zu, bückt er sich, streckt er sich und so weiter, sagte Reger. Es ist zum Kotzen.“

Nicht minder berühmt sind Bernhards Einlassungen in seinem Artikel „Der pensionierte Salonsozialist“, der 1981 im Wiener Wochenmagazin profil anlässlich des siebzigsten Geburtstags des damaligen österreichischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky erschien. In dieser Rezension des Bildbandes „Bruno Kreisky“, zu dem Gerhard Roth und Peter Turrini huldigende Texte beigesteuert hatten, erregt sich Bernhard über das Bild, das der zu diesem Zeitpunkt noch amtierende Bundeskanzler von sich lancieren lässt. Kreisky erscheine, umgeben von „Wohnzimmer-Kaktus“ und „Gartenzwerg“, als „treugedienter Staatsbeamter am Ende seiner Karriere“, als „Höhensonnenkönig“ und „Halbseidensozialist“, aus dem, so Bernhard, nie ein Staatsmann werde.

Im Unterschied zu diesen beiden Texten Thomas Bernhard sind es in seinem 1986 erschienenen Roman „Auslöschung. Ein Zerfall“ keine realen Fotobände, an denen sich der fiktive Erzähler Franz-Josef Murnau abarbeitet, sondern fiktive Fotografien. „Auslöschung. Ein Zerfall“ ist die Wiedergabe und Niederschrift eines inneren Monologs des Protagonisten Franz-Josef Murau, der seine Gedanken anlässlich des Unfalltods seiner Eltern und seines Bruders schildert.

Fotografien im Besonderen und die Fotografie im Allgemeinen werden dabei insbesondere im ersten der beiden Teile des Romans, an dem Bernhard bereits ab 1976 arbeitete, thematisiert. Immer wieder kommt Murau auf eine Fotografie seiner Eltern am Londoner Bahnhof, auf eine Fotografie des Bruders auf dessen Segelboot auf dem Wolfgangsee sowie auf eine Fotografie der beiden Schwestern vor dem Haus seines Onkels in Cannes zu sprechen. Im zweiten Teil, das mit „Das Testament“ überschrieben ist, greift der Erzähler und Protagonist Murau die Fotografien der Familienmitglieder, die er im ersten Teil obsessiv „beobachtet“, so gut wie nicht mehr auf und auch allgemeine Ausführungen zur Fotografie finden sich nicht mehr.

spectator, operator und spectrum

Betrachtet man die Passagen im ersten Teil, in denen Murau auf die Fotografien seiner Angehörigen zu sprechen kommt, fällt auf, dass Murau jede der drei Tätigkeiten ausführt, deren Gegenstand eine Fotografie nach Roland Barthes ist. Im Vordergrund steht seine Rolle als spectator, also desjenigen, der die Fotografien betrachtet. Murau ist darüber hinaus aber auch operator der drei Fotografien. Er selbst hat sie gemacht, wobei der die Fotografie der Eltern heimlich und die seines Bruders gegen dessen Willen aufgenommen hat, und die seiner beiden Schwestern quasi gegen seinen Willen aufnehmen musste:

„Ich hatte diese Fotografie, wie ich mich erinnere, nur widerwillig gemacht. Aber nicht mich trifft die Schuld an diesem erbarmungslosen Foto, sagte ich mir, sie, meine Schwestern, trifft sie, denn sie hatten mich zu diesem Foto gezwungen“.

Zuletzt ist Murau auch noch spectrum, Gegenstand der Fotografie. Als er am Tag vor der Beerdigung seiner Eltern und seines Bruders auf dem elterlichen Schloss Wolfsegg das Zimmer des Vaters aufsucht, findet er auf dessen Schreibtisch Fotografie der Familie, darunter auch eine, die ihn zeigt:

„Der Vater hat auf seinem Schreibtisch Fotografien der Familie stehen, von allen von uns ein Bild, wir machen auf diesen Fotografien alle den gleichen unbedeutenden, ungefährlichen Eindruck. Die Fotografien beruhigen, sie erschrecken nicht, sie gaben nicht zur geringsten Überlegung Anlass, höchstens darüber, wie es möglich ist, dass alle diese auf den Fotografien Abgebildeten den gleichen unbedeutenden Eindruck machen.“

Dass die Fotografien auf dem Schreibtisch „nicht zur geringsten Überlegung Anlasss“ geben, unterscheidet sie von den drei Fotografien, um die Murau unablässig im ersten Teil des Romans kreist. Hier nämlich sind es gerade die Fotografie, die Muraus Gedanken und Erzählen am Laufen halten.

Diese Funktion gewinnen sie dabei auch dadurch, dass Murau die Fotografien ständig umsortiert: Mal legt er das Foto des Bruders „neben das Foto“ seiner Eltern; mal das Foto seines Bruders und das seiner Schwestern über das der Eltern; mal das Foto des Bruders und das der Eltern über das der Schwestern. Am Ende des ersten Teils legt er alle drei Fotografien dann zunächst vor sich auf dem Schreibtisch nebeneinander, um sie dann schließlich übereinander zu legen, so dass das Foto der Eltern zuoberst zu liegen kommt und „die beiden anderen zudeckte“.

Zu seiner Überraschung führt das permanente Umsortieren der Fotografien dazu, dass die Beziehungen der Dargestellten jeweils anders erscheinen:

„Ich legte die Fotografie, die meinen Bruder Johannes zeigt, an die erste Stelle und die, auf welcher meine Eltern auf dem Victoriabahnhof abgebildet sind, zuunterst, was im Augenblick einen verblüffenden Effekt machte: der Bruder oben und die Eltern unten standen jetzt für mich einem ganz anderen Verhältnis zu den Schwestern in der Mitte.“

Und an einer anderen Stelle heißt es:

„Das Foto meines Bruders oben bedeutet jetzt, dass er schon der Wichtigste der Familie war, die Eltern unten schon weit weniger wichtig.“

Wieland Schmied, ein langjähriger Bekannter und Nachbar von Thomas Bernhard, hat darauf hingewiesen, dass Bernhards Erzählen durch die Vorstellung von Gegensätzen inspiriert und durch die Spannungen, die zwischen ihnen entsteht, vorangetrieben wird. Jedes Einerseits ruft bei ihm nach einem Andererseits, jede Aussage provoziert ihren Widerspruch. Dies gilt inhaltlich für die Charakterisierung von Personen, von Ereignissen, von Orten und die Benennung der Gefühle, die sie hervorrufen, und das gilt formal für Entwicklung und Entfaltung der Text.

Im ersten Teil von „Auslöschung. Ein Zerfall“ wird dieses Denken, Fühlen und Urteilen von einem Pol zu seinem gegengesetzten Pol und zurück vorangetrieben durch die Betrachtung von Fotografien, wobei aus deren Umsortierung sich für den Erzähler Murau immer wieder neue Hierarchien in den Beziehungen der Angehörigen ergeben. Das permanente Hin und Her zwischen Aussage und ihrem Widerspruch schlägt sich im Hinblick auf die Fotografie aber auch und vor allem in der Antwort auf die Frage nieder, ob Fotografie einen Mittel der Bewältigung darstellen kann, und welchen epistemischen Wert sie besitzt.

Fotografien als Mittel der Bewältigung?

Wenn Murnau im ersten Teil des Romans die Fotografien seiner Eltern, seines Bruders und seiner Schwestern beschreibt, so ist durchweg die Rede davon, dass diese auf den drei Fotografien lächerlich erscheinen. Zwar räumt er ein, dass die Dargestellten „doch nicht immer nur komisch und lächerlich gewesen sind, sie waren die meiste Zeit ganz und gar anders, durchaus nicht lächerlich und komisch“. Aufbewahrt hat er aber, wie er mehrfach ausführt, eben nur diese drei Fotografien, wobei er die „Niedrigkeit“ dieses Verhaltens durchaus eingesteht.

Welches Ziel damit verfolgt wird, wird nicht zuletzt in der Abgrenzung zu den bereits erwähnten Fotografien deutlich, die auf dem Schreibtisch des Vaters stehen. Während die Eltern, der Bruder, die Schwestern und auch er selbst auf diesen Fotografien einen „ungefährlichen Eindruck“ machen und den Betrachter Murau „nicht erschrecken“, wählt Murau mit den drei Fotografien durchweg solche aus, die die Dargestellten zu lächerlichen Figuren auf einem Stück Papier bannen. So heißt es über die Eltern und deren Fotografie:

„Sie waren auf einmal über Nacht auf dieses groteske und lächerliche Foto zusammengeschrumpft. Sie mussten tödlich verunglücken und zu diesem lächerlichen Papierfetzen, der sich Fotografie nennt, zusammenschrumpfen, um dir nicht mehr schaden zu können.“

Muraus Strategie indes geht nicht auf. Die auf den Fotografien dargestellten Eltern, der Bruder und die Schwestern verfolgen und quälen ihn zuletzt gerade mit ihrer Lächerlichkeit:

„Die Fotografie ist tatsächlich die Teufelskunst unsere Zeit, sagte ich mir, sie lässt uns jahrelang und jahrzehntelang und lebenslänglich spöttische Gesichter sehen, wo es nur ein einziges Mal solche spöttischen Gesichter gegeben hat, nur einen einzigen Augenblick lang auf einem Foto, welches wir vollkommen unüberlegt gemacht haben, einem plötzlichen Einfall nachgebend. Und dieser plötzliche Einfall hat dann eine lebenslängliche verheerende, ja gleich fürchterliche Wirkung. Eine nicht mehr abstellbare Wirkung, in welcher wir manchmal bis an den Rand der Verzweiflung gestoßen werden.“

Die drei Fotografien sind insbesondere kein Mittel, um dem Erzähler Murau eine halbwegs gerechte und angesichts des Unfalltodes angemessene Beurteilung Schwestern und der tödlich verunglückten Eltern und des Bruders zu ermöglichen. Murau muss sich am Ende des ersten Teils „Das Telegramm“ eingestehen:

„Ich setzte mich an den Schreibtisch und betrachtete die Fotografien, die ich schon den ganzen Nachmittag betrachtet hatte, beobachtet, wie ich mich sogleich verbesserte. Ich legte die Fotografien jetzt nebeneinander und sagte mir, dass die darauf Abgebildeten so nicht beurteilt werden können. Nicht als Fotografierte. Ich legte die Fotografierten übereinander, so, dass das Foto mit meinen Eltern, das sie auf dem Victoriabahnhof in London zeigt, gerade, als sie im Begriff sind, in den Zug nach Dover einzusteigen, die beiden anderen zudeckte. Ich hatte das Gegenteil gewünscht, aber sie machten jetzt genau denselben komischen und lächerlichen Eindruck auf mich, wie vorher. Ich legte die Fotografien in die Schreibtischschublade zurück.“

Wahrheit und Lüge der Fotografie

Die Unfähigkeit Muraus, angesichts der Fotografien zu einer halbwegs gerechten und angemessenen Beurteilung seiner Angehörigen zu kommen, spiegelt sich nicht zuletzt in der ambivalenten Bewertung des epistemischen Werts der Fotografie. Murau bezeichnet die Fotografie einmal als „ungeheuerliche Naturverfälschung“ und solchermaßen als „das größte Unglück des zwanzigsten Jahrhunderts“, dann wieder erscheint sie ihm als „wahres Abbild“ dessen, das sie darstellt. Dieses Hin- und Herspringen zwischen den verschiedenen Positionen geht soweit, dass Lüge und Wahrheit schließlich ununterscheidbar werden: „Das Verzerrte, das Verlogene auf ihnen ist die Wahrheit, dachte ich. Die absolute Verleumdung darauf ist die Wahrheit.“

Wenn die Rede von Wahrheit und Lüge überhaupt noch Sinn machen kann, dann allenfalls im Begriff einer subjektiven Wahrheit. Diese Position erscheint Murau in „Auslöschung. Ein Zerfall“ zuweilen als die einzig mögliche. Die Fotografien seiner Angehörigen zeigen, so Murau, „hinter der Perversität und der Verzerrung doch die Wahrheit und die Wirklichkeit dieser sozusagen Abfotografierten, weil ich mich nicht um die Fotos kümmere und die darauf Dargestellten nicht, wie sie das Foto in seiner gemeinen Verzerrung und Perversität zeigt, sehe, sondern wie ich sie sehe.“ Die Fotografien der Angehörigen sind nicht mehr „Wahrheitsbild“, sondern zeigen allenfalls noch das „Authentische“.

Fotografie und Schrift

Wenn Murau den epistemischen Wert der Fotografie bezweifelt, dann wird mittelbar in „Auslöschung. Ein Zerfall“ auch der Wert der Schrift als Medium der wahrheitsgetreuen Wiedergabe und Aufbewahrung des Erzählten thematisiert.

Bernhard bereitet die Engführung von Fotografie und Schrift in mehrfacher Hinsicht vor. Zum einen ist Murau nicht nur derjenige, der die Fotografien der Eltern, des Bruders und der Schwestern gemacht hat, also der Autor dieser Fotografien. Er erscheint im Text auch als Urheber des Romans. „Ich werde die Auslöschung schreiben“, beschließt er, um das dauernde Unrecht der nationalsozialistischen Vergangenheit zur Sprache zu bringen:

„Deshalb ist es meine Pflicht, in der Auslöschung von ihnen zu reden und auf die aufmerksam zu machen stellvertretend für so viele, die über ihre Leiden während der nationalsozialistischen Zeit nicht sprechen, sich nur ab und zu darüber zu weinen getrauen. Die Auslöschung gibt mir die beste Gelegenheit, wenn ich imstande bin, sie jemals zu Papier zu bringen, dachte ich.“

Zum anderen wird im Text eine buchstäbliche Nähe zwischen Fotografie und Schrift hergestellt. Murau verwahrt die Bilder der Angehörigen nicht irgendwo, sondern mit anderen Schriftstücken in der Schublade seines Schreibtisches, aus der er sie zur Betrachtung herausholt und in die er sie am Ende des ersten Teils des Romans auch wieder zurücklegt. Und wenn er die Fotografien am Schreibtisch betrachtet, dann legt er das Telegramm, in dem er über den Tod der Eltern und des Bruders benachrichtigt wird, sorgfältig neben diese. Der Aufbewahrungsort wird an einer anderen Stelle sogar als Argument für den Wahrheitsgehalt der Fotografien herangezogen:

„Ich hätte ja, dachte ich, keine Verfälschung meiner Eltern und meines Bruders in meinem Schreibtisch geduldet. Nur die tatsächlichen, die wahren Abbilder. Nur das absolut Authentische.“

Ebenso wenig, wie die Fotografie ein Medium der wahrhaftigen Wiedergabe des Dargestellten ist, ist es auch die Schrift nicht. Murau fasst den Plan der „Aufschreibung“ bereits im Bewusstsein eines möglichen Scheiterns einer wahrheitsgetreuen Wiedergabe:

„Ich will wenigstens den Versuch machen, Wolfsegg zu beschreiben, wie ich es sehe, denn jeder kann nur beschreiben, was er sieht, wie es ihm erscheint, nicht anders. Und wenn ich mir sagen müsste, ich sehe nur ein entsetzliches Wolfsegg mit entsetzlichen Menschen, ich dürfte mich nicht davon abhalten lassen, es zu dokumentieren.“

Und auch eine Befreiung ist durch die „Aufschreibung“ ebenso wenig zu erwarten wie durch die Fotografie. Zwar erscheinen die dargestellten Personen auf den Fotografien als ungefährlich, weil sie „höchstens zehn Zentimeter groß sind“. Weil sie aber nicht „widersprechen“ und sich gegen die an sie gerichteten Vorwürfe nicht wehren, lassen sie den Betrachter umso mehr verzweifeln:

„Wir sagen ihnen die allergrößten Ungeheuerlichkeiten ins Gesicht und sie widersprechen nicht einmal, wir gehen auf sie los und sie wehren sich nicht, wir können ihnen ins Gesicht sagen, was wir wollen, sie rühren sich nicht. Aber genau das bringt uns dann auch in Raserei und wir sind noch wütender. Wir verfluchen die auf den Fotografien, weil sie uns nicht antworten, weil sie uns nicht das geringste entgegnen, wo wir doch auf nichts so warten und angewiesen sind, als auf ihre Entgegnung. Wir schlagen uns sozusagen mit mikroskopisch verkleinerten Zwergen und werden wahnsinnig. Wir ohrfeigen mikroskopisch verkleinerte Zwerge und machen alles in uns verrückt dadurch. Wir lassen uns sogar dazu hinreißen, dass wir Köpfe, die nur einen einzigen Zentimeter Durchmesser haben, beschimpfen, und geben uns dadurch völlig der Lächerlichkeit preis.“

Nicht anders stellt sich dies bei der Schrift dar. Auch diese kann nach Ansicht des Erzählers Murau von den erfahrenen Erniedrigungen nicht befreien:

„Ich habe schon einmal gedacht, … ob es mir möglich sei, durch die Abfassung einer Schrift über die spöttischen Gesichter meiner Schwestern Amalia und Caecilia, mich von ihren spöttischen Gesichtern befreien zu können, aber dieser Gedanke war von mir naturgemäß aufgegeben worden, weil er sich doch bald als einer der absurdesten überhaupt erwiesen hatte.“

Die kopflose Mutter

Was jenseits der Frage bleibt, ob Fotografie oder Schrift, das, was der Fall ist, wahrheitsgetreu abbildet, ist allein das Abbild. Was Murau bleibt, das sind die in Zeitungen veröffentlichten, massenhaft verbreiteten Bilder der toten Mutter auf dem Rücksitz des völlig zerstörten Unfallwagens. Bilder, auf denen, in grotesker Übertreibung, „der kopflose Rumpf meiner Mutter abgebildet ist“ oder die den Kopf der Mutter zeigen, der nur „noch mit einem dünnen Fleischfetzen mit ihrem im Wagen sitzenden Rumpf verbunden ist“. Und die Schlagzeile, mit der der „ausführliche Bildbericht“ über die tote Mutter überschrieben ist: „Der vom Rumpf getrennte Kopf.“

Das Vorbild aber bleibt Murau buchstäblich verschlossen. Mehrfach versucht er im zweiten Teil des Romans, in dem die Vorbereitungen des Begräbnisses und dieses selbst geschildert werden, den bereits geschlossenen Sarg der Mutter zu öffnen. Dies gelingt ihm aber trotz mehrfacher Anläufe nicht.

Roland Barthes hatte in „Die helle Kammer“ die Photographie gegenüber anderen Darstellungssystemen dadurch ausgezeichnet, dass der Signifikant in der Photographie „allemal unsichtbar“, der Referent dagegen „immer da“ sei: „Was immer auch ein Photo dem Auge zeigt und wie immer es gestaltet sein mag“, führt Barthes aus, „es ist doch allemal unsichtbar: es ist nicht das Photo, das man sieht, … jedes Photo ist in gewisser Hinsicht die zweite Natur seines Referenten“. Thomas Bernhards Roman „Auslöschung. Ein Zerfall“ entwirft hierzu die Gegenposition. Dass der Signifkant für seinen Referenten einsteht, wird hier für die Fotografie – und vermittelt darüber auch für die Schrift – bestritten.

Alle Zitate aus Thomas Bernhard, Alte Meister (Suhrkamp Verlag, 1988), Der Wahrheit auf der Spur (Suhrkamp Verlag, 2012), Auslöschung. Ein Zerfall (Suhrkamp Verlag, 1986).