Terror incognitus

Der Londoner Fotograf Ed Clark hat sich in seinen Bildern wiederholt mit den Machtsystemen beschäftigt, in und unter denen wir leben. In seiner neusten Arbeit Negative Publicity, Artefacts of Extraordinary Rendition, die Teil der Ausstellung Terror incognitus ist, die derzeit in Mannheimer Galerie Zephyr zu sehen ist, untersucht er das System der Entführung und Festsetzung von Menschen durch den amerikanischen Geheimdienst.

Clarks Ziel ist, nach eigenem Bekunden, „eine Art visuelle Geschichtsschreibung“. Zugleich thematisieren die Bilder aber auch ein grundsätzliches Problem der Referenzialität. Als Terra incognita galten einst jene Landmassen oder Gebiete, die noch nicht kartografiert oder beschrieben waren. Desgleichen definiert auch Terror incognitus das Ziel, das, was verschwiegen wird, kenntlich zu machen. Aber während man Landmassen entdecken und betreten kann, ist der Referent von Clarks Bildern das Geheimnis. Terror incognitus und insbesondere Negative Publicity zeigen, wie das Handbuch zur Ausstellung schreibt, „Orte, an die gemeinhin kein Hinkommen ist“. „Verbindliches Element der dargestellten Orte und Ereignisse sind“, so Clark, „vor allem Geheimnisse, denn dieser Teil der Geschichte fand im Wesentlichen im Geheimen statt.“

Clark bezeichnet seine Bilder denn auch als bloße „Spuren der Abwesenheit“ und „Artefakte der Recherche“. Und weil die Bilder strenggenommen das gerade nicht zeigen können, was sie zeigen sollen, muss Clark alles auf den Betrachter setzen: „Betrachten Sie die die Bilder und sie zeigen nichts. Blicken Sie hinein und sie sind mit Bedeutung geladen.“ Diese Bedeutung generiert sich aber im Wesentlichen aus dem Paratext, der den Bildern zur Unterstützung beigegeben ist und dem sie sich letztendlich auch verdanken: „Gefunden habe ich diese Orte schließlich, weil ich mit einem Rechercheur zusammenarbeite, Crofton Black. Der wiederum war tätig für Anwälte einiger Terrorverdächtigten, die in andere Länder verbracht wurden. Sein Job war teils forensischer Natur. Er verfolgte den langen Rattenschwanz der Bürokratie, wertete Rechnungen, Flugpläne und andere Dokumente aus, die zeigten welche Firmen, welche Flughäfen, welche Immobilien daran beteiligt waren. Die Bürokratie sozusagen als Achillesferse des Systems. Mit Ihrer Hilfe konnte man schließlich den Verhör- und Folterzentren auf die Spur kommen.“

Bei seinem Versuch, das Verborgene abzubilden, betreibt Clark letztlich ein Verfahren, das die Kunsthistoriker Wolfram Pichler und Ralph Ubl als „inversives Wiedererkennen“ bezeichnet haben. Dabei handelt es sich um die Übertragung einer am Bildobjekt gewonnen Erkenntnis auf den Referenten, wobei mit der Übertragung ein Anspruch auf Richtigkeit und Wahrheit verbunden ist. Dass dieser Anspruch, „Zeugnisakt“ zu sein, nicht zu halten ist, dessen ist sich auch Clark bewusst: „Die tatsächliche Geschichte – sofern sie überhaupt vollständig erkannt werden kann – kann einfach durch Leugnen und Heimlichtuerei verborgen werden. Dieses Werk kann vielleicht Teil eines zukünftigen Diskurses und zukünftiger Geschichte sein: als Protokoll negativer Beweise – sowie als Dokument einer nicht vorhandenen Öffentlichkeit.“

 

Terror incognitus
Zephyr | Raum für Fotografie, Mannheim
31.1.2016 – 29.5.2016

 

Bildquelle
Zephyr | Raum für Fotografie