Es muss eine ausgelassene, fröhliche Geburtstagsparty gewesen sein. Überall im Raum verteilt stehen halb ausgetrunkene Limonadenflaschen und Gläser, auf dem Boden liegen verstreut allerlei Dinge. Jetzt aber ist die Szene merkwürdig statisch und unbewegt. Um eine Bauchrednerin und ihre Puppe herum steht eine Gruppe von Kindern, die deren Vorführung folgt.
Man hat Jeff Walls A ventriloquist at a birthday party in October 1947 als „Metapher für den Schaffensprozess“ verstanden. Was in Szene gesetzt ist, ist aber nicht nur der Künstler und sein Kunstprodukt, sondern auch das Publikum, für das der Schaffensprozess erfolgt. Die Verhältnisse zwischen Künstler, Kunstprodukt und Publikum werden in Walls Bild in mehrfacher Hinsicht problematisiert.
Da ist zunächst das Verhältnis zwischen dem Künstler und seinem Kunstprodukt, also zwischen Bauchrednerin und Puppe. Nicht nur der Akt der Produktion selbst ist offensichtlich. Auch das, was in der Puppe als Kunstwerk hervorgebracht wird, ist auffällig bizarr und ein Flickwerk aus zusammenhanglosen Teilen. Dem Akt der Hervorbringung und dem Produkt ist die Künstlichkeit buchstäblich ins Gesicht geschrieben ist.
Nicht minder problematisch ist das Verhältnis zwischen Künstler / Kunstprodukt und Publikum. Wall selbst äußert, dass die Puppe mit ihrem gespenstischen Grinsen „an der Grenze der Eignung für Kinder“ sei. Die Aufführung der Bauchrednerin geht denn auch augenscheinlich am kindlichen Publikum vorbei. Zwar sind sämtliche Kinder der Aufführung zugewandt, ihre Gesichter aber sind weder zweifelnd noch fragend, weder beunruhigt noch betroffen. Links gar steht ein Junge aufrecht und die Hände hinter dem Rücken verschränkt an die Wand gelehnt: die Distanz, die er zu der Vorführung einnimmt, ist unverkennbar.
Fast scheint es, als würde Kunst hier als eine Form der Täuschung dargestellt, auf die nicht einmal mehr Kinder wirklich hereinfallen. Aber wie steht es mit dem Betrachter, der vor dem Bild steht? Fällt er noch auf das Bild herein?
Augenscheinlich ist, dass die Inszenierung, die das Bild zeigt, für den vor dem Bild stehenden Betrachter in Szene gesetzt ist. Bauchrednerin, Puppe und Kinder sind so platziert, dass zwischen den beiden Kindergruppen links und rechts eine Lücke entsteht, durch die der Betrachter das Schauspiel, das die Bauchrednerin aufführt, ungehindert betrachten kann. Walls Fotografie ähnelt einer Guckkastenbühne, die in ihrer zentralperspektivischen Ausrichtung die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das in ihr gezeigte fokussiert. Diese Fokussierung wird dadurch verstärkt, dass Walls Bild wie eine Guckkastenbühne bis auf die Seite zum Betrachter hin nach allen Seiten begrenzt und abgeschlossen ist. Das Bild gibt keinerlei Auskunft darüber, was sich außerhalb des Raumes befindet. Die beiden winzigen, an der Stirnwand des Raumes befindlichen und eigentümlich randständigen Fenster aus Ornamentglas lassen ebenso wenig wie das Fenster auf der rechten Seite, dessen Vorhang zugezogen ist, den Blick nach außen zu. Und auch in der Vertikalen ist der Blick stark eingeschränkt: die bunten Luftballons stoßen hart an die Decke.
Die zentralperspektivische Ausrichtung, die durch das Prinzip der Guckkastenbühne ins Spiel kommt, ist allerdings gestört. Es ist nicht nur die Fülle der Details, die in Jeff Walls A ventriloquist at a birthday party in October 1947 die Fokussierung auf die Bauchrednerin und ihre Puppe stört. Auch der Raum selbst, den das Bild zeigt, ist merkwürdig verzerrt. Für den Betrachter des Bildes hat dies gravierende Folgen. Denn mit der Zentralperspektive wird auch seine Souveränität in Frage gestellt.