Das Thema Fotografie in der Literatur: Häufig kommentiert die Literatur die Fotografie oder sie liest Theorien der Fotografie als Verfahren des Erinnerns oder des Vergessens.
Etwa Adolfo Bioy Casares.
In dessen Roman Abenteuer eines Fotografen in La Plata kommt der Fotograf Nicolasito Almanza mit dem Auftrag in die Stadt, ihre „Sehenswürdigkeiten“ für einen Bildband zu fotografieren. Das naive Abbildungskonzept, das in diesem Auftrag bezeichnet ist, wird allerdings von Beginn an kontrastiert durch Erlebnisse und Erfahrungen, in denen die Stadt sich immer wieder als „Blendwerk“ zeigt. Sei es durch Träume oder Halluzinationen: immer wieder löst sich die Stadt auf in Fragmente, die sich nicht mehr zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen. Die Konzentration auf eine Wahrnehmung, die sich ausschließlich am Bild festmacht, erweist sich im Verlauf des Romans zusehends als ungenügend.
Ironisch, wenn auch unfreiwillig kommentiert werden Realismus und Fixierung auf eine Wahrnehmung über das fotografische Bild dabei in einem Gespräch zwischen der Hauptfigur und einem Sargverkäufer:
„Ich denke gerade“, sagte der Fotograf ein wenig erregt, „ein Fotograf ist ein Mensch, der die Dinge anschaut, um sie zu fotografieren. Oder vielleicht ein Mensch, der, indem er die Dinge anschaut, sieht, was ein gutes Bild abgibt.“
„Das nenne ich das Profiauge“, rief Lo Pietro, der Sargverkäufer. „Das erwirbt man sich. Ich sehe einen Menschen zum erstenmal, und schon veranschlage ich die Größe seines Sarges.“
Oder Thomas Bernhards Auslöschung. Ein Zerfall.
Hier nimmt der Gedankenmahlstrom des Erzählers Murau seinen Anfang und findet sein Ende in den Fotografien der toten Eltern und des toten Bruders. Insbesondere im ersten Teil des Romans vollzieht sich das Erinnern über die Betrachtung der Fotografien.
Im Bemühen, die in Schuld verstrickte Familie zum Verschwinden zu bringen, versucht der Erzähler den Bildern seiner toten Angehörigen jeglichen Wahrheits- und Realitätsgehalt abzusprechen. Fotografien werden durchweg als Fälschung der tatsächlichen Sachverhalte beschrieben: „Die Fotografie“, so Murau, „zeigt nur den grotesken und den komischen Augenblick, dachte ich, sie zeigt nicht den Menschen wie er alles in allem zeitlebens gewesen ist, die Fotografie ist eine heimtückische perverse Fälschung, jede Fotografie, gleich von wem sie fotografiert ist, gleich, wen sie darstellt, sie ist eine absolute Verletzung der Menschenwürde, eine ungeheuerliche Naturverfälschung, eine gemeine Unmenschlichkeit.“
Legitimiert wird diese Auffassung von der Fotografie als Verfahren der Entstellung augenscheinlich im Rückgriff auf Siegfried Kracauers Aufsatz Die Photographie. Wie Kracauer bezeichnet auch der Erzähler in Bernhards Auslöschung. Ein Zerfall die auf den Fotografien dargestellten Eltern als „Puppen“, die „komisch und furchtbar zugleich“ (Kracauer) sind. Die Angehörigen auf den Fotografien lösen sich in „modisch-altmodische Einzelheiten“ (Kracauer) auf: der Vater in seine „dreißig Jahre alten Pumphose“, die Mutter in ihren „Hut“, der „auf groteske Weise nur noch ganz leicht an ihrem Kopf festgehalten“ wird. Die Fotografien stellen damit wie bei Kracauer nur mehr fragmentarische, „räumliche Konfigurationen eines Augenblicks“ (Kracauer) dar.
Während Kracauer im Gedächtnis und dessen sinnstiftenden Vermögen aber noch einen Gegenpol zur Fotografie sieht, delegitimiert Thomas Bernhard schlechterdings Erinnerung, in welchem Verfahren auch immer sie praktiziert wird. In Auslöschung. Ein Zerfall erscheint, in Absetzung auch von romantischen Konzepten, Erinnern als mechanischer Vorgang, der letztendlich nur kontingente und verfälschte Inhalte liefert.