Teppich des Lebens

Betritt man den Ausstellungssaal, fallen sie einem sofort in’s Auge: die riesigen, farblich unterschiedlichen Stoffbahnen, die an der Stirnseite des Saals aufgehängt sind und von der Decke bis zum Boden reichen. Tritt man näher an sie heran, erkennt man, dass die grün-, pink-, rosa- und blaufarbenen Bahnen aus abertausenden kleinen Fotografien bestehen.

Hasan Elahis Kunstwerk ist, wie einige andere von ihm, hervorgegangen aus einem Projekt, das er 2002 begann, als er in der aufgeheizten Stimmung nach den Terroranschlägen von 9/11 unter dem Verdacht festgenommen wurde, in einem angemieteten Lagerraum Sprengstoff zu horten. Als die US Behörden auch Monate, nachdem seine Unschuld feststand, immer noch Untersuchungen durchführen, beschloss er, die US Geheimdienste fortan selbst über alles, was er tut zu informieren. Über sein Smartphone zeichnet er seit nunmehr 10 Jahren minutiös jede seiner Bewegungen auf und dokumentiert noch banalste Dinge mit seiner Smartphonekamera.

Mit dem kunstvollen Druck der abertausenden Fotografien auf Stoffbahnen und ihrer Präsentation im Museum wechselt Elahi allerdings vom Register der Politik in das der Kunst. Betrachter seiner Bilder sind nicht mehr Mitarbeiter von Geheimdiensten sondern Museumsbesucher. Es geht nicht mehr darum, ein anonymes Gegenüber mit einem wahllosen Bilderstrom zu versorgen, aus dessen Banalität dann das eine maßgebliche Profilbild entsteht. Die Bilder sind nunmehr geordnet und zusammengefasst auf den farblich aufeinander abgestimmten Stoffbahnen. Ihre ästhetische Präsentation steht dabei nicht zuletzt in der aus muslimischen Ländern des Mittlerein Ostens stammenden Tradition, Teppiche als Dekorationselemente zu verwenden. Wantteppiche galten wegen ihrer aufwändigen Herstellung in Persion etwa als wahre Schätze.

Was durch den Wechsel in das Register der Kunst vermittelt wird, ist nicht mehr die aktive Überwachungspraktik von Geheimdiensten, sondern die Teilhabe nicht zuletzt der Betrachter, die durch die exzessive Neigung, in sozialen Netzwerken noch die gewöhnlichsten Sachverhalte des täglichen Lebens zu teilen, diese Praktiken mittragen.

 
Watching You, Watching Me: A Photographic Response to Surveillance
Berlin, Museum für Fotografie
17.02.2017 bis 02.07.2017

Links
Hasan Elahi: Hier bin ich, FBI!