Pietro Donzelli. Warten und unterwegs sein

Zum 100. Geburtstag von Pietro Donzelli zeigen die Opelvillen in Rüsselsheim vom 25. März bis 14. Juni 2015 eine umfangreiche Werkschau des italienischen Fotografen.

In seinem Tagebuch erzählt Donzelli wie er von dem Kameramann Louis Née auf die Frage, was er fotografieren solle, die Antwort erhielt: „Die Menschen, immer die Menschen.“ Donzelli präzisiert in seinen Aufzeichnungen diesen Rat allerdings sogleich. Nicht auf den Menschen allein, sondern „auf den Menschen und die Umgebung in der er lebt“, habe er seine Aufmerksamkeit gerichtet.

Die wichtigsten Arbeiten Donzellis entstanden in den 1950er und 1960er Jahren. Hitze, gleißende Helligkeit, Trockenheit, Staub und die Zerstörungen durch den zweiten Weltkrieg bestimmen die Lebenswirklichkeit der Menschen, die Donzelli in den Fotografien dieser Jahre ins Bild setzt.

Kennzeichnend für Donzellis Fotografien ist dabei das Bemühen, seinem Gegenstand nicht zu nahe zu treten. Stets fotografiert er die Menschen aus der Entfernung, oft von einem erhöhten Blickpunkt aus, von schräg oben, vermittelt in einem Spiegelbild, gebrochen hinter Glas oder schemenhaft im Nebel.

Es sind Menschen, die warten oder unterwegs sind. Sie warten auf Gäste und Kunden, darauf, dass ein neues Leben beginnt, oder einfach darauf, dass ein Fisch anbeißt. Aber auch die Dinge warten. Die Karren, die in Reih und Glied stehen, warten darauf, dass sie bewegt werden; das leere Freiluftkino und der leere Tanzsaal unter freiem Himmel darauf, dass die Vorstellung beginnt; der gedeckte Tisch darauf, dass sich die Gäste an ihm niederlassen.

Neben den Bildern, die das Warten und Verharren zum Gegenstand haben, dann aber auch Bilder, die das Unterwegssein und den Aufbruch thematisieren. Immer wieder Züge, Menschen auf Fahrrädern, Mopeds oder Booten, zu Fuß oder auf einem Esel. Wohin dieses Unterwegsseins führt, erscheint häufig allerdings merkwürdig offen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass, wie im Falle der Bilder von Zügen, im Bildtitel Anfang und Ende der Wegstrecke benannt sind. Aus großer Entfernung fotografiert, unter einem wolkenlosen oder dramatischen Himmel und in einer namenlosen, weiten Landschaft wirken die Züge dann doch verloren und ziellos.

Allenfalls Fotografien, die Anfang der 1950er Jahre anlässlich von Messen in Mailand entstanden, lassen erkennen, was Ziel sein könnte. Exemplarisch ist hier die 1950 entstandene Fotografie „Mailand, Messe“. Das Bild zeigt, von einem tiefen, den Blick von unten nach oben führenden Aufnahmestandpunkt aus, im Vordergrund beschädigte, verschmutzte Stufen einer Unterführung, im Hintergrund die moderne Dachkonstruktion eines Messegebäudes. Dazwischen zwei Bauarbeiter, beschäftigt mit Aushubarbeiten, und ein kaputtes Geländer, das, ohne Absicht kunstvoll geschwungen, die modernen Formen der Dachkonstruktion im Hintergrund aufgreift.

Bildquelle
Pietro Donzelli. Pozzuoli, Trattoria (1950)
© Estate Pietro Donzelli, Frankfurt a.M., Courtesy DZ BANK Kunstsammlung