Retina: Bild, Netzhaut, Display

Bereits die frühen Fotografien wurden mit Netzhäuten verglichen. Nicéphore Nièpce, der Erfinder der Heliografie, von dem die erste bis heute erhaltene Fotografie stammt, spricht beim Versuch, die Bilder zu beschreiben, die er bei seinen Experimenten erhalten hatte, von „rétines“. Diesen Metapherntransfer setzte Kühne, der Entdecker des Sehpurpurs, Ende der 1870er Jahre fort. Für ihn war das Auge nicht mehr nur Fotoapparat, sondern ein ganzes Fotolabor. Die Netzhaut betrachtete er als fotochemische Platte und das Bild, das sich auf ihr entwickelte, als Optographie. In jüngster Zeit schreibt Apple mit dem sogenannten Retina-Display diese Naturalisierung fort.

Wie das Bild bei Nièpce steht dabei vorgeblich auch Apples Retina-Display in nichts der Leistung der menschlichen Netzhaut nach. Laut Apple soll das menschliche Auge nicht in der Lage sein, aus einem typischen Betrachtungsabstand einzelne Pixel zu erkennen.

Hier wie dort ist die Funktion dieser Naturalisierung gleichwohl unübersehbar. Kühne versuchte mit der Photochemie der Netzhaut die fotografische Objektivität des Auges und damit die Theorie der Repräsentation, die seit Descartes und Bacon Wahrnehmung als Projektion begriff, gegen die sogenannte physiologische Optik eines Hermann von Helmholtz zu verteidigen, die sich in dieser Zeit begann durchzusetzen. Für Apple ist die Naturalisierung ein Mittel des Marketings, das im Wettbewerb mit den Konkurrenten eingesetzt wird. Apple geht aber noch einen Schritt weiter. Indem Apple Retina als Markennamen beim United States Patent and Trademark Office registrieren lässt, sichert sich die Firma gleich noch das exklusive Recht auf diese Naturalisierung.