Gespenster

Geister und Gespenster gehen in der Fotografie schon immer um.

Seit der Erfindung der Fotografie ist das Pandämonium der Geisterfotografie stetig gewachsen. Eine Kleine Metaphysik der Photographie versammelt, was aus heutiger Sicht absonderlich erscheint: Aura- und Kirlianphotographien, Elfen- und Feenbilder, Fotografien von Marienerscheinungen und Materialisationen, Geisterfotografien.

Geisterfotografien spielten dabei vor allem im Spiritualismus eine wichtige Rolle. Der Spiritualismus, der Mitte des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten entstand, sah in der Fotografie ein Mittel, den Glauben an das Weiterleben der Seele nach dem Tod mit Hilfe der Fotografie empirisch und wissenschaftlich zu beweisen. Die Fotografie galt als das ideale Instrument spiritualistischer Aussagen und einer empirischen Metaphysik. Bevor sich die Fotografie in einer zweiten Phase der Fotografie des Übersinnlichen mit Baraduc, Darget oder de Rochas den Strahlenaktivitäten der Seele, der Gedanken oder des Körpers zuwandte, entstanden zwischen 1861 und 1877 tausende geister- und mediumistische Fotografien, zumeist Porträts, auf denen Lichtphänomene oder menschliche Gestalten erschienen. Die wohl bekanntesten Geisterfotografien stammen von dem angesehenen britischen Wissenschaftler William Crookes, der 1874 zahlreiche Sitzungen mit dem Medium Florence Cook fotografierte. Erst nachdem sich die Röntgenfotografie in der Medizin durchgesetzt hatte, verschwanden auch die Geisterfotografien allmählich. Es finden sich allerdings noch bis zum Ende des 20. Jahrhunderts zahlreiche Spielarten, die die Tradition der Geisterfotografien zum Teil bestätigend, zum Teil ironisch aufnehmen.

Das Dispositiv, das diese eigentümliche Verknüpfung von rationaler Wissenschaft und Spiritualismus ermöglicht, ist die Überzeugung, dass sich auf der fotografischen Platte die Natur unmittelbar einschreibt und die Fotografie daher in jedem Fall die Spur von etwas ist. Dass auf einer Fotografie etwas aufgezeichnet worden sei, galt insbesondere im 19. Jahrhundert als unumstößlich. Streit entbrannte allenfalls darüber, wie das fotografisch Abgebildete zu deklarieren sei. Die Anziehungskraft der Fotografie für den Spiritismus verdankt sich mit anderen Worten dem magischen Vermögen, das der Fotografie zugesprochen wurde: dass sie zwischen Gegenstand und Bild eine mediumistische und zugleich naturwissenschaftlich erklärbare Beziehung herstellen kann.

Gespenster geistern aber nicht nur in den Geisterfotografien eines William Crookes, William Mumler oder William Pierce herum. Das Gespenst ist auch eine Denkfigur in vielen Texten zur Theorie der Fotografie. Siegfried Kracauer und Roland Barthes sind nur zwei Autoren, in deren Texte der Begriff des Gespenstes auf je eigene Weise eine wichtige Rolle spielt.